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Warum Sinn in der Arbeit wichtig ist
Menschen, die ihre Arbeit als sinnvoll erleben, haben eine höhere Bindung an die Organisation, zeigen mehr Engagement und bessere Leistungen; ihre Lebens- und Arbeitszufriedenheit ist höher und sie sind psychisch und physisch gesünder. Das ist das Resultat einer Meta-Analyse „Outcomes of Meaningful Work“. Die Effekte lassen sich über alle Branchen und Länder hinweg feststellen.
Der Zusammenhang zwischen sinnvoller Arbeit und Gesundheit ist nicht überraschend und zeigt sich mir als Berater auch immer wieder in der konkreten Arbeit mit Ratsuchenden. Das Gefühl von Sinnlosigkeit, Stress am Arbeitsplatz, Burnout, jedoch auch Langeweile und Interesselosigkeit sind Themen, die in den letzten Jahren genauso zugenommen haben wie gesundheitliche Probleme.
Fünf Kerneigenschaften guter Arbeit
Was wir als sinnvoll erleben, ist natürlich von Mensch zu Mensch verschieden. Eine Einordnung der Faktoren kann uns dabei die Job-Characteristic-Theorie geben. Sie definiert fünf Kerneigenschaften, die gute Arbeit ausmachen:
- Anforderungsvielfalt: Das Ausmass an Vielfalt von verschiedenen Aktivitäten, die während der Aufgabenbewältigung erledigt werden und Ihre unterschiedlichen Fähigkeiten und Talente verlangen.
- Ganzheitlichkeit: Das Ausmass, in dem eine Aufgabe vollständig von Ihnen ausgeführt wird, also vom Anfang bis zum Ende, mit sichtbarem Ergebnis.
- Bedeutsamkeit: Das Ausmass, in dem eine Aufgabe wesentlichen Einfluss auf das Leben oder die Arbeit anderer hat, unabhängig davon, ob dieser Einfluss innerhalb oder ausserhalb der Arbeit wirkt.
- Autonomie: Das Ausmass, in dem eine Aufgabe umfangreichen Freiraum, Unabhängigkeit und Entscheidungsspielraum in Bezug auf die Arbeitseinteilung und den Arbeitsablauf überlässt.
Feedback: Das Ausmass, in dem Sie direkte und klare Informationen bezüglich der Ergebnisse Ihrer Arbeit erhalten.
Gehen Sie einmal durch Ihre konkrete letzte Arbeitswoche und versuchen Sie herauszufinden, in welchem Ausmass diese Punkte bei Ihnen erfüllt waren. Sie werden dabei feststellen, dass Ihnen gewisse Bereiche wichtiger sind als andere. Die Definition von Sinnhaftigkeit einer Arbeit ist komplex und individuell.
Konsequenzen einer persönlichen Standortbestimmung
Manchmal hat das Gefühl mangelnder Sinnhaftigkeit zu tun mit der Kultur der Organisation, in der Sie arbeiten: Überbordende Bürokratie, ungeeignete Kommunikationsprozesse, inkompetente Vorgesetzte, strukturell bedingte Überforderung der Mitarbeitenden und viele weitere durchaus objektive Faktoren prägen dabei das Bild. Manchmal wird es Ratsuchenden erst in einer Beratung klar, dass diese Faktoren für die Unzufriedenheit im Job verantwortlich sind. Dann können geeignete Strategien entwickelt werden, um die Situation zu verbessern. Je nach Gestaltungsspielraum innerhalb der Organisation oder durch einen Stellenwechsel.
Manchmal liegt die Unzufriedenheit auch darin, dass der Job und Ihre Persönlichkeit nicht zusammenpassen. Hier kommen Ihre subjektiven Werte, Ihre geheimen oder auch klar formulierbaren Ziele, Ihre persönlichen Interessen und Vorlieben zum Tragen. Diese Bereiche sind uns oft nicht voll bewusst. Die Schwierigkeiten, die durch die fehlende Übereinstimmung zwischen dem Job und der Persönlichkeit entstehen, werden dann von Ratsuchenden oft als persönliches Versagen gedeutet: „Wenn es sich nicht um klar sichtbare äussere Probleme handelt, muss es ja an mir liegen. Würde ich mich mehr anstrengen, bez. besser funktionieren, könnte ich meine Arbeitszufriedenheit sicher verbessern“. Hier hilft oft eine ausführliche Standortbestimmung, die den Raum schafft, persönlichen Werten, eigenen Begabungen, Interessen, Vorlieben und Leidenschaften bewusster werden zu lassen und als wichtigen Faktor der beruflichen Entwicklung zu akzeptieren.
Ein Teil der Lösung sein
Eine dritte Quelle der Unzufriedenheit stand eigentlich am Beginn meiner eigenen Arbeit als Berater. Ich habe 1989 mit ein paar Freunden einen Verein gegründet, der einen Stellenanzeiger für den Ökologiebereich herausgab. Motiviert wurde dieses Projekt durch zahlreichen Menschen, mit denen ich als Projektleiter eines Branchenbuches für den Ökobereich zu tun hatte. Ich hörte immer wieder den Satz: Ich möchte im Ökologiebereich arbeiten, weil ich abends mit dem Gefühl nach Hause kommen möchte, etwas Sinnvolles geleistet zu haben.“
Hier kommt ein Begriff ins Spiel, den wir oft vorschnell verwenden: „Berufung“. Das Gefühl, mit der Welt und ihren aktuellen Problemen verbunden zu sein und in einem wahrgenommenen Missstand eine Aufforderung zu sehen, aktiv zu werden. 1989 war Ökologie gerade wieder einmal das Top-Thema im öffentlichen Diskurs. Heute erlebe ich bei immer mehr – und nicht nur jungen – Menschen eine grundlegende Skepsis gegenüber einer Arbeitswelt, in der sich die Wirtschaftsmaschine immer schneller dreht, ohne dass dabei das Gefühl entsteht, dass das, was dabei herauskommt, die Welt lebenswerter macht.
Auf die Frage, ob sie das Gefühl haben, dass ihre Arbeit einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leistet, antworteten in einer Studie der Uni Zürich aus dem Jahr 2023 19 % der Teilnehmer*innen mit „selten“ bis „nie“. In meiner Praxis bringen es die Ratsuchenden manchmal auf den Punkt mit der Aussage: „Ich möchte in meiner Arbeit ein Teil der Lösung sein und nicht ein Teil des Problems“.
Links:
- Meta-Analyse Outcomes of Meaningful Work
- Job-Characteristic-Theorie
- Studie Uni Zürich
- Für Leser*innen aus der Schweiz gibt es noch einen Blick in die Vergangenheit. Ich bin letzthin zufällig über eine Archivaufnahme von SRF aus dem Jahre 1991 gestossen, mit einer Reportage aus den Anfängen der FairWork GmbH
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