2005 ist erstmalig in der Schweiz der Titel Social Entrepreneur Schweiz von der Schwab Stiftung für Social Entrepreneurship vergeben worden. Der Preisträger Robert Roth wurde für seine Job Factory in Basel ausgezeichnet. Im Interview mit Mirjam Schöning von der Schab Foundation will ich wissen, was es mit der „Voice of social Innovation“ auf sich hat.

Frau Schöning, Sie arbeiten für die Schwab Foundation seit 2000. Was ist genau Ihre Funktion/Aufgabe?

Ich bin seit Beginn der Tätigkeit der Schwab Foundation im Jahre 2000 dabei und habe die Stiftung mit aufgebaut. Ich habe das Auswahlverfahren für die Social Entrepreneure entwickelt und bin auch für einzelne administrative Aufgaben verantwortlich, wie zum Beispiel die Finanzen. Wir arbeiten eng mit dem World Economic Forum zusammen, und erhalten Unterstützung durch deren Mitarbeiter.

Wie sieht Ihr Arbeitstag aus?

Es gibt keinen Routinealltag bei mir. Unser gesamtes Team pflegt täglich Kontakt zu den Social Entrepreneuren in unserem Netzwerk und stellt die Verbindung zu Politikern, Wirtschaftsvertretern und Akademikern her. Im Jahr 2006 werden wir den „Social Entrepreneur des Jahres“ in 30 Ländern suchen. Ich kümmere mich insbesondere um die Schweiz, Deutschland, Indien und Südafrika. Dies beinhaltet die Recherche nach Kandidaten, der Kontakt zu den Medien, das Auswerten der Antragsformulare sowie die Besichtigungen der Kandidaten vor Ort. Die Finalisten, ca. 5-10 pro Land, werden einer Jury mit hochkarätigen Wirtschaftvertretern und Politikern vorgestellt, die dann den Gewinner wählt.

Darüber hinaus sind wir in die Organisation diverser Veranstaltungen involviert, wie zum Beispiel der Weltwirtschaftsgipfel in Davos, die regionalen Treffen des Forums und des „Social Entrepreneurship Summits“.

Wie sind Sie zur Schwab Foundation gekommen?

Ich habe in St. Gallen, an der ESADE in Spanien und der Stockhom School of Economics studiert und meinem MPA an der Kennedy School of Government, Harvard University gemacht, nachdem ich Beraterin bei Bain & Company war. Mich hat insbesondere das Thema International Development interessiert. An der Harvard Business School bin ich auf das Thema Social Entrepreneurship gestossen. Anfang 2000, habe ich Klaus Schwab kennen gelernt, der von seinen Plänen für diese zweite Stiftung erzählt.

Was ist der Auftrag der Schwab Foundation?

Wir verstehen uns als Vermittler zwischen den Social Entrepreneurs und Führungskräften und Politikern aus den verschiedensten Bereichen, die in der Lage sind die Social Entrepreneurs vielseitig zu unterstützen. Wir möchten den Ansatz und die Idee, dass man sich unternehmerisch und innovativ zu sozialen oder auch ökologischen Problemen einsetzen kann und soll, verbreiten.

Die Stiftung selbst vergibt keine Spenden, sondern bietet Unterstützung und übernimmt die Kosten für Treffen der Social Entrepreneurs zum jährlichen Erfahrungsaustausch, Teilnahme am Weltwirtschaftsgipfel des Forums in Davos, regionale Treffen des WEF.

Wie viele Leute arbeiten in welchen Funktionen für die Schab Stiftung?

Wir sind nur 6 feste Mitarbeiter in Genf mit sehr internationalem Profil. Es gibt eine Geschäftsführerin und Projektleiter.

Wir arbeiten sowohl mit Medienpartnern in den jeweiligen Ländern zusammen als auch mit Partnern, die sich wie wir um das Auswahlverfahren kümmern. Projektpartner sind z.B. in Deutschland die Bosten Consulting Group. Unser Medienpartner in der Schweiz ist z.B. das Wirtschaftsmagazin „Bilanz“ und in Deutschland „Capital“.

Womit finanziert sich die Schab Stiftung?

Das Anfangskapital haben Professor Schwab und seine Frau gestiftet. Die Stiftung arbeitet mit Partnern zusammen, um einzelne Projekte zu finanzieren.

Auf der Homepage von der Schwab Foundation ist in einem langen Abschnitt beschrieben, was unter Social Entrepreneur zu verstehen ist und was einen Social Entrepreneur charakterisiert. Das Thema wird seit 15-20 in den USA in einschlägigen Publikationen diskutiert, in der Schweiz ist es noch ein junges Thema. Woran liegt das?

Die Frage haben wir uns auch schon gestellt und sind zu dem Schluss gekommen, dass es wahrscheinlich ähnlich wie bei der Corporate Social Responsibility Welle daran liegt, dass wir an einen Wohlfahrtstaat gewöhnt sind und daher mehr Vertrauen in den Staat haben/hatten. Eigeninitiative war daher bisher nicht wirklich nötig. Die Themen mit denen sich Social Entrepreneurs hier befassen sind auch sehr verschieden von denen in anderen Ländern. In Ländern wie Brasilien und Indien gibt es eine grosse Anzahl an Individuen, die sich für sozialen Wandel einsetzen. Auch in den USA ist das soziale Netz nicht so dicht, wie wir es von der Schweiz oder Deutschland gewöhnt sind.

Gibt es in der Schweiz erst seit wenigen Jahren Unternehmer die als Social Entrepreneurs bezeichnet werden können?

Die meisten sind tatsächlich erst in den letzten 5 Jahren entstanden.

Wie steht die Schweiz im Vergleich mit den anderen Ländern? Was sind die Schwerpunkte und wo sind die Unterschiede?

In der Schweiz haben wir insbesondere Organisationen, die sich in den Bereichen Arbeitslosigkeit, Integration von Ausländern und Umweltschutz engagieren.

Wie werden Sie auf die potentiellen Social Entrepreneurs aufmerksam?

Wir recherchieren einerseits selber um Social Entrepreneurs zu finden. Andererseits machen wir über unsere Medienpartner in den jeweiligen Ländern auf die Ausschreibung aufmerksam, so dass sich potentielle Social Entrepreneurs direkt bei uns bzw. den jeweiligen Projektpartnern bewerben können. Zunächst füllen sie eine Fragebogen aus, der uns die Vorauswahl erleichtert. Die nach dieser Auswahl infrage kommenden Unternehmen schauen wir uns dann genauer an, ob sie die Kriterien erfüllen um der Jury präsentiert werden.

Papier ist geduldig, wie ermitteln Sie, dass die Unternehmen wirklich die Kriterien erfüllen?

Aufgrund der Bewerbungen wird lediglich die Vorauswahl getroffen, danach treten wir in Kontakt mit den Unternehmen und nehmen sie vor Ort unter die Lupe. Da wir nicht in allen 24 Ländern jedes Unternehmen prüfen können, involvieren wir lokale Partner und Experten in das Auswahlverfahren.

Warum gibt es eine Auszeichnung?

Anfangs wollten wir den Gewinnern jeweils einen hohen zweckgebundenen Geldbetrag als Preis anbieten. Interessanterweise haben dann die Social Entrepreneurs darum gebeten, dieses Geld für die Unterstützung möglichst Vieler für Reisekosten, Teilnahme am WEF und zur Organisation der Treffen zu verwenden. Ihnen war es viel wichtiger die Möglichkeit zu bekommen einflussreichen Entscheidungsträgern ihre Idee, Philosophie und ihr Unternehmen vorstellen zu können und langfristige Beziehungen zu diesen aufbauen zu können, als einmalig eine Geldsumme zu erhalten. Aus diesem Grund haben wir dann die Strategie dementsprechend geändert.

Nichtsdestotrotz können nicht alle Social Enterpreneurs gleichzeitig und im gleichen Umfang unterstützt werden. Daher gibt es eine Auszeichnung, die sich an bestimmten Kriterien bemisst. Eine Auszeichnung ist darüber hinaus Anreiz und Ansporn, sie ist medienwirksam und unterstreicht die Bedeutung der Leistungen.

Was sind die Kriterien?

Wir haben sieben Kriterien aufgestellt, die wichtig für Social Entrepreneurship sind: Innovation; Verbreitung; Potential zur Weiteren Verbreitung; Nachhaltigkeit; direkte positive soziale Auswirkungen; Vorbildfunktion und gegenseitiger Nutzen.

Was verstehen Sie unter Innovation?

Bei Innovation kann es sich sowohl um innovative Produkte als auch Dienstleistungen oder neue Ansätze zur Anwendung von bereits vorhandenen Technologien handeln.

Wie ist Nachhaltigkeit in diesem Zusammenhang zu verstehen?

Der Social Entrepreneur widmet sich vollzeitig der Initiative und hat die notwendigen Bedingungen geschaffen, um die Initiative aufrecht zu erhalten. Die Organisation sollte einen Teil des Einkommens durch den Verkauf von Produkten, Dienstleistungen oder Mitgliederbeiträge erzielen. Einige haben Partnerschaften mit Unternehmen aufgebaut, die von gegenseitigem Nutzen sind. Es handelt sich nicht um klassische, rein spendenabhängige karitative Organisationen. Bei Unternehmen müssen die sozialen oder umweltorientierten Ziele eindeutig vorrangig vor dem Gewinnstreben sein.

Welchen Nutzen bringt es für die Gewinner?

Der Gewinner wird zum Treffen der Social Entrepreneurs eingeladen. Das nächste Treffen findet unmittelbar vor dem Jahrestreffen des World Economic Forums in Davos im Januar 2006 statt. Seit 2001 bietet die Schwab Stiftung jährlich ausgewählten Social Entrepreneurs die Gelegenheit, sich zu einem Erfahrungsaustausch zu treffen. Das Treffen hat sich in kürzester Zeit als die wichtigste Veranstaltung ihrer Art etabliert. Ein Teil des Gipfels ist dem Austausch mit führenden Unternehmern, Investoren, Politikern und Akademikern vorbehalten.

Der Gewinner wird zum nächsten Weltwirtschaftsgipfel eingeladen. Davos bietet eine ausgezeichnete Plattform, um die Gemeinschaft der Social Entrepreneurs mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft zusammenzubringen.

Der Gewinner wird ebenfalls zum Treffen in seiner Region eingeladen. Das World Economic Forum organisiert Regionale Treffen in Europa, Mittlerer Osten, Afrika, China, Südostasien, Indien und weiteren Ländern an denen die führenden Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft aus den jeweiligen Regionen teilnehmen. Die Stiftung arbeitet wiederum mit dem World Economic Forum zusammen, um die konkreten Ansätze der Social Entrepreneurs zu Themen wie Bildung, Gesundheit und Arbeitslosigkeit in das Programm zu integrieren.

Der Gewinner wird in das globale Netzwerk der führenden Social Entrepreneurs der Schwab Stiftung aufgenommen. Dieses Netzwerk bietet zahlreiche Möglichkeiten, die Initiative zu stärken und auszudehnen.

Die Social Entrepreneurs der verschiedenen Länder haben teilweise sehr unterschiedliche Themen, inwieweit ist der Austausch bei den Treffen nützlich?

Auch wenn tatsächlich die Themenschwerpunkte unterschiedlich von Land zu Land sein können, gibt es viele Überschneidungen insbesondere in organisatorischen Fragen, Netzwerkbildung, administrativen Problemen und Finanzierungsfragen.

Wird es die Auszeichnung jedes Jahr geben?

Der Preis und die damit Verbundene Vorteile haben ein sehr gutes Echo erhalten. Wir werden die Auszeichung von 23 Ländern in 2005 auf 30 Länder in 2006 ausdehnen.

Werden nur die Gewinner in das Netzwerk aufgenommen und sind nur sie Nutzniesser der Unterstützung?

Die Teilnahme am WEF steht nur den Gewinnern zur Verfügung. Die Finalisten können aber auch am Netzwerk teilhaben und sich mit den anderen Social Enterpreneurs austauschen und sind auch Nutzniesser des Verfahrens.

Wie ist Ihre Einschätzung, wie lange es noch die Unterstützung der Schwab Foundation benötigt, bis das Thema Social Entrepreneurship und Nachhaltigkeit in der Weltwirtschaft etabliert ist? Wie sehen Sie dies in der Schweiz?

Wir sehen bereits einen dramatischen Wandel. Während beim Weltwirtschaftsgipfel 2002 kein Mensch sich für Social Entrepreneure interessierte, musste jetzt in Davos im Januar 2006 keiner mehr erklären, was ein Social Entrepreneur ist. Allerdings warten noch viele Probleme auf kreative, nachhaltige Lösungen, die hoffentlich von Social Entrepreneuren gelöst werden können.

Vielen Dank Frau Schöning!

Das Interview mit Miriam Schöning hat Camilla Gruschka geführt. Camilla ist 2004 mit Ihrem Mann von Deutschland nach Winterthur gezogen. Sie ist Juristin mit kaufmännischem Hintergrund und arbeitet in Zürich. Im Rahmen einer beruflichen Neuorientierung durch eine Laufbahnberatung bei Thomas Diener ist sie auf das Thema Social Entrepreneurship aufmerksam geworden und hat starkes Interesse an diesem Thema geweckt.

Weitere Infos zu den Berufsreportagen