Der KI-Hype Der KI-Hype

Wie intelligent ist die künstliche oder wie künstlich ist die unsere?

KI ist durch den Chatbot GPT plötzlich in aller Munde. Wovor sollen wir uns fürchten und wo liegen die Chancen?

Arbeitsplätze für das 21. Jahrhundert

Als ich 2006 eingeladen wurde, eine Keynote zum Thema „Arbeitsplätze für das 21. Jahrhundert“ zu halten, war ein Kerngedanke: Alles, was sich systematisieren lässt, wird früher oder später auch automatisierbar sein. Die KI hat sich seither dramatisch weiter entwickelt. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Diskurs darüber, welche Arbeit wir Robotern und einer immer mächtiger werdenden KI überlassen wollen und wo Arbeit als eine gemeinschafts- und sinnstiftende Tätigkeit erhalten bleiben soll. So kann zum Beispiel Landwirtschaft zum großen Teil von Robotern und Computern übernommen werden, Gärtnern als menschliche Kulturtechnik darf jedoch aus meiner Sicht nicht verloren gehen. Das Herstellen von Geräten und Gegenständen ist schon heute stark automatisiert und dadurch billig geworden. Reparieren, eine höchst befriedigende Tätigkeit, die jedoch deutlich schwieriger zu systematisieren ist, lohnt sich daher meist nicht mehr. Die ökologischen Konsequenzen davon sind offensichtlich.

Menschliche Arbeit

Das Herstellen von schönen Möbeln, das Zeichnen einer Illustration oder das Schreiben einer berührenden Geschichte, all das können in naher Zukunft Maschinen annähernd so gut wie wir. Unsere Menschlichkeit zeigt sich jedoch nicht nur im Konsum, sondern ebenso oder vielleicht sogar intensiver im Kreieren.

Es gibt auch Tätigkeiten, die aus meiner Sicht grundsätzlich nicht systematisierbar sind. Dazu gehören unter anderem Pflege, Erziehung sowie echte Kreativität, die sich nicht in der Produktion von neuen Dingen erschöpft, sondern sich im Eröffnen von neuen Horizonten, neuen Denk- und Sichtweisen zeigt. Alle Prozesse, die in die Domaine der Lebendigkeit gehören, werden sich nicht komplett automatisieren lassen. Die KI kann auch hier – als Werkzeug kreativ genutzt – einen Platz haben. Der ökonomische Druck, die Arbeitswelt so weitgehend wie möglich zu automatisieren, wird jedoch dazu führen, dass wir auch Prozesse systematisieren, die in Wirklichkeit komplexer und lebendiger sind. Dabei besteht die Gefahr, uns unwillkürlich an Systeme anpassen, die unmerklich unsere Lebendigkeit einschränken. Systeme, von Wenigen gestaltet, haben das Potential uns Alle zu formen. So wurden zum Beispiel in der Industrialisierung die Arbeitenden am Fließband immer maschinenähnlicher. Charlie Chaplin hat das in „Modern-Times“ genial in Szene gesetzt. Was eine global eingesetzte, tendenziell nivellierende KI mit unserem Bewusstsein anstellt, ist noch nicht abzusehen.

Die Abhängigkeit von globalen Systemen

Als Individuen und lokale und regionale Gemeinschaften haben wir uns immer stärker in die Abhängigkeit von globalen Systemen begeben. Das erzeugt auch ein Teil jenes Unbehagens, das wir alle spüren, dass jedoch schwer zu fassen ist und immer häufiger von rechten Gruppierungen instrumentalisiert wird. Das Gefühl, die eigene Selbstwirksamkeit, die eigene Kreativität und die eigene Gestaltungskraft an unpersönliche Systeme abgetreten zu haben, von denen wir immer abhängiger geworden sind, ist an sich keine Verschwörungserzählung, kann solche jedoch befeuern. Gerade auch die KI-Technologie, die gigantische Ressourcen verschlingt, wird sich im Eigentum von ein paar wenigen globalen Tech-Riesen konzentrieren. Eine Gefahr, die im aktuellen Hype gerne übersehen wird.

Ängste und Lösungen

Die Debatte um KI dreht sich oft um die Angst vor dem Verlust von Arbeitsplätzen. Gerade „kreativ“ Arbeitende und Menschen, die Texte generieren, verfolgen die Entwicklung mit Sorge. Gebrauchsgrafik, Illustrationen, aber auch wissenschaftliche Arbeiten vor allem auf Bachelor- und Masterstufe, alles Tätigkeiten, die im Grunde nichts anderes machen, als Bestehendes neu zu kompilieren, werden ziemlich schnell durch KI Systeme ersetzt. Auch Fernsehserien sind meist so vorhersehbar, dass wir das Schreiben der Drehbücher – und wahrscheinlich bald auch die gesamte Produktion – den Computern überlassen können. Für die Menschen, die in diesem Bereichen arbeiten, ist das bitter. Gleichzeitig stellt sich jedoch die Frage: Wäre das tatsächlich ein Verlust? Es könnte uns ja auch gelingen, die dadurch frei werdenden Ressourcen sinnvoll zu nutzen. Die Bevölkerung im produktiven Alter schrumpft, es gibt zu wenig Fachkräfte, die Energiewende stockt teilweise auch, weil Arbeitskräfte fehlen.

Statt für den Lebensunterhalt stupide Drehbücher zu schreiben, könnten wir unseren kreativen Power auch dafür einsetzen, die echten Probleme unserer Zeit anzugehen. Es gibt außerdem seit Jahren kluge Lösungsansätze für eine Neugestaltung der Arbeitswelt. Vielleicht ist jetzt die Zeit gekommen, diese breiter zu diskutieren.

Das Manuskript zur erwähnten Keynote von 2006 kann im FairWork-Shop kostenlos bezogen werden.
https://laufbahnberatung.org/product/die-arbeitswelt-neu-erfinden/