1988 war Ökologie in der Schweiz das Top-Thema, wenn es um die Frage ging, was die Menschen am meisten beunruhigt oder bewegt.

Damals veröffentlichte ich zusammen mit einem kleinen deutschen Verlag das „Alternative Branchenbuch“ ein Branchenverzeichnis mit Bezugsquellen für Produkte und Dienstleistungen im Bereich der Ökologie. Das war noch in der Vor-Internet-Ära und das Buch schloss eine Lücke zwischen Menschen, die etwas für den Umweltschutz tun wollten – zum Beispiel durch den Kauf ökologisch hergestellter Möbel – und Unternehmen, die solche Produkte anboten. So weit, so gut.

Nachdem das Buch erschienen war, riefen mich viele Leute an und sagten: „Es ist toll, dieses Buch zu haben, aber ich möchte nicht nur ökologische Produkte kaufen oder solche Dienstleistungen in Anspruch nehmen, ich möchte in einer solchen Firma oder Organisation arbeiten.“

Das Jahr 1989 war eine Zeit der Vollbeschäftigung in der Schweiz. Alle Unternehmen beklagten sich, dass sie kein Personal finden konnten. Vor allem kein gut qualifiziertes Fachpersonal. Und da riefen mich über fünfzig meist gut ausgebildete Personen an, die eine Stelle suchten. Ich war verblüfft.

Natürlich habe ich gefragt, warum sie in diesem Bereich arbeiten wollten. Die Antworten waren sehr ähnlich: „Ich möchte abends mit dem Gefühl nach Hause kommen, dass ich etwas Sinnvolles getan habe.“

Dieses Bedürfnis konnte ich gut verstehen. In meiner Jugend habe ich Arbeitswelt und Leben noch als eng verknüpft erlebt. Der Lebensmittelladen meiner Eltern diente manchmal auch als Spielplatz für uns Kinder. In gewisser Weise habe ich am Beispiel meiner Eltern Arbeit als eine sinnvolle, frei bestimmbare Tätigkeit erlebt, und nicht nur als das Erfüllen einer vorgegebenen Funktion. Meine Lehre als Werbekaufmann habe ich mit gemischten Gefühlen hinter mich gebracht. Werbung hat mich zwar interessiert und der Lehrbetrieb war familiär und angenehm, die Bürowelt insgesamt kam mir jedoch unecht vor. Ich zog damals die Konsequenz aus dieser Erfahrung und arbeitete nach der Lehre in einem selbstverwalteten Betrieb. Dort erlebte ich, dass Arbeit Spaß machen kann. Es war zwar nicht die Tätigkeit an sich, die spannend war. Das Umfeld als Ganzes stimmte jedoch und ich freute mich auf jede Arbeitsschicht, weil ich die Menschen, mit denen ich arbeitete, mochte und weil ich mit meiner Präsenz das Umfeld mitgestaltete. Als Temporärarbeiter schaute ich später in verschiedene Bereiche hinein. Als Bauarbeiter und Zimmermann, im Kundendienst, als Verkäufer, Buchhalter und Kuhhirte „auf Zeit“ fühlte ich mich oft als teilnehmender Beobachter. Diese Selbstdefinition ermöglichte es mir, sehr gut mit den am mich gestellten Erwartungen umzugehen. Durch meine „geheime“ Forschertätigkeit hatte ich eine innere Distanz und somit einen Spielraum, der vitalisierend wirkte. Diese Methode versagte jedoch sofort, wenn ich versuchte mich mit der Arbeit zu identifizieren: Es war lustig, für einige Wochen die Rolle eines Buchhalters zu spielen; die Vorstellung, ein Buchhalter zu sein, hätte das Ende dieses Spiels bedeutet.

So fing ich an, mich mit der Frage zu beschäftigen, was ich wirklich – jenseits der Erwartungen des Umfeldes und der Wirtschaft – machen möchte. Diese Phase dauerte einige Jahre und die Antwort war schlussendlich kurz und unspektakulär: Ich wollte auf kreative Weise mit Menschen arbeiten. Ich stürzte mich also gleichzeitig in eine eine therapeutische und eine theaterpädagogische Ausbildung. Durch die selbständige Arbeit am Alternativen Branchenbuch hatte ich die zeitliche Freiheit, diese Ausbildungswege zu kombinieren.

Die oben erwähnten Reaktionen auf das Branchenbuch, führten zur Gründung des Vereins Öko-Stellenbörse. Aus der Kombination meiner Ausbildungen mit meiner Position als Obmann dieses Vereins, war Coaching der natürliche nächste Schritt.

Mitzuerleben wie Menschen aufblühen, wenn sie Dinge tun, die in irgend einer Form eine Reaktion auf globale und lokale Bedürfnisse sind, also Sinn machen, freut mich immer noch. Das motiviert mich weiterhin als Coach, Laufbahnberater und Supervisor zu arbeiten. Nicht nur  Neigungen und Eignungen abzuklären, sondern auch echte globale oder lokale Bedürfnissen zu berücksichtigen, kann Menschen helfen, einen befriedigenden beruflichen Weg einzuschlagen.  Wir sehen, dass Menschen mehr Energie haben, wenn sie das Gefühl haben, etwas zu tun, das Sinn macht. Nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere und die ganze Welt. Diese Erkenntnis nicht nur zu „predigen“ sondern in der eigenen Biografie so erlebt zu haben, hilft.

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