Das «Medizinrad» für Teams
Um sich mit einem Projekt zu identifizieren und motiviert mit der Arbeit zu beginnen, müssen je nach Persönlichkeit unterschiedliche Kriterien erfüllt sein. Daher kann es zu Beginn der Projektarbeit zu einer Auseinandersetzung darüber kommen, welcher dieser Punkte „am wichtigsten“ ist.
Sicher haben Sie schon einmal eine Kippfigur gesehen. Ein Bild auf dem man sofort eine Gestalt erkennt und es einem dann schwer fällt, die andere – ebenso offensichtliche – auch zu sehen. Diese Bilder zeigen uns, wie schwierig es ist, ein Sowohl-als-auch, anstelle von einem Entweder-oder wahrzunehmen. Wie sehr wir uns bemühen: wir sind und bleiben immer ein wenig einseitig.
Um dieser Tendenz entgegenzuwirken, werden in vielen Kulturen Kreissymbole verwendet. Ein Gebiet wird so in seiner Ganzheit abgebildet. Um vier wichtige Aspekte in der Teamarbeit zu visualisieren, kann man auf das Bild der vier Himmelsrichtungen zurückgriffen, wie sie zum Beispiel für das indianische Medizinrad verwendet wird.
Die vier Archetypen
Osten: Ziele
Bevor nicht klar ist, wo wir hin wollen, macht es überhaupt keinen Sinn, mit der Projektarbeit zu beginnen. Das klingt banal, aber wie oft werden Projekte ohne klare Ziele gestartet? Es gibt Menschen, die Ziele deutlicher sehen und klarer formulieren können als andere. Diese «SeherInnen» die auch im Trubel des Alltags das Ziel nicht aus den Augen verlieren, sind für jedes Projekt wichtig.
Norden: Haltung, Werte
Es gibt Menschen, die erst mit Überzeugung mit der Arbeit beginnen können, wenn sich für sich persönlich die Sinnfrage geklärt hat. Warum wollen wir dieses Projekt? Warum lohnt sich das Ziel? Nur wenn ein Projekt auch „für das größere Ganze“ Sinn macht, sind diese «KriegerInnen» motiviert und andere motivierend bei der Sache und leisten dann Außergewöhnliches.
Westen: Strukturen und Strategien
Richtig in die Gänge kommt ein Projekt, durch viele konkrete, einzelne Schritte. Diese müssen strukturiert und mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet werden. Ohne Strukturen und klare Strategien, endet jedes Projekt im Chaos. Im Medizinrad sind es die «LehrerInnen», die einen besonderen Blick auf diese Dimension haben.
Süden: Gesundheit und Gemeinschaft
Was nützen die besten Ziele und Strategien, wenn dabei die Menschen im Team auf der Strecke bleiben? Ohne einen Fokus auf die Gesundheit der MitarbeiterInnen und die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse nach Verbundenheit und Autonomie kann kein Team langfristig gut zusammenarbeiten. «HeilerInnen» mahnen diese Dimension ein.
Der Sturm
Natürlich braucht eine erfolgreiche Projektarbeit alle vier «Himmelsrichtungen». Statt sich über die Priorität der Punkte zu streiten, ist es sinnvoller, alle Standpunkte zu berücksichtigen und die Diversität im Team zu nutzen: Welche Teammitglieder haben eine besondere Affinität zu welchem dieser Archetypen und können daher diese jeweilige Dimension gut einbringen? Teams, in denen ein Archetyp, bez. eine dieser Rollen komplett fehlt, sollten gerade auf diese Dimension besonders aufmerksam achten.
Wir können uns jetzt vorstellen, wie diese vier Archetypen harmonisch zusammenarbeiten. Aus der Vogelperspektive ist es einleuchtend, dass alle Dimension in der Projektarbeit eine Rolle spielen. Gerade zu Beginn einer Zusammenarbeit können die verschiedenen Zugänge zum Team jedoch für gehörige Spannungen sorgen. So würden «SeherInnen» und «KriegerInnen» vielleicht schon vorausstürmen und fühlen sich dann von den «LehrerInnen» ausgebremst. Die «HeilerInnen» würden das Projekt am liebsten in eine Wellness-Oase verwandeln und nerven damit all diejenigen, die zuallererst an einem konkreten Resultat interessiert sind.
Verwendung in der Teamentwicklung
Die vier Himmelsrichtungen des Medizinrades laden zum soziometrischen arbeiten ein. Wir gestalten dabei den Raum gemeinsam, indem wir in jede Himmelsrichtung Symbolbilder ausgelegt, die den vier Archetypen zugeordnet sind. Es müssen natürlich keine Stöcke, Rasseln, Trommeln oder Glocken sein. Die meisten Menschen in unserer Kultur haben dazu ohnehin keinen Bezug. Ich verwende meistens einen Stapel Postkarten und bitte die Gruppenmitglieder daraus diejenigen auszuwählen, die sie mit den jeweiligen Archetypen in Verbindung bringen.
Anschließend bitte ich die TeilnehmerInnen sich in die Himmelsrichtung zu stellen, die für sie die wichtigste Dimension darstellt. Es entsteht dann wie von selbst eine intensive und fruchtbare Diskussion über die verschiedenen Standpunkte. Danach erforschen alle auch noch ihre eigene Beziehung zu den anderen Dimension, indem Sie sich durch den Raum bewegen und den drei weiteren Himmelsrichtungen einen Besuch abstatten.
Die Grenze von Typologien
Eine Diskussion darüber, ob diese vier Archetypen tatsächlich alle wesentlichen Aspekte abdecken, kann fruchtbar sein. Der Kreis symbolisiert das Ganze. Ob wir einen Kreis in drei, vier oder auch neun Bereiche unterteilen ist jedoch nebensächlich. Jede Typologie hat ihre Grenzen und es geht nur darum, eine Struktur zu finden, die für die Gruppe im Moment passend erscheint. Wir können die Zeit besser nutzen, uns gegenseitig auszutauschen und über eigene Erfahrungen zu reden, statt darüber zu debattieren, welche Eigenschaften jetzt definitiv welchem Archetypen zuzuordnen sind.
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