Könnte ein florierendes Unternehmen nicht auch aussehen wie ein blühender Garten: Voller Leben und vielschichtigem Reichtum?

Der Begriff Permakultur hat in den letzten Jahren den Weg in die Massenmedien gefunden.

Er setzt sich aus den Wörtern „Permanent“ und „Agriculture“ zusammen und beschreibt eine von Bill Mollison entwickelte Form der Landwirtschaft, die hohe Erträge, biologischer Anbau, nachhaltiges Wirtschaften und minimaler Arbeitsaufwand miteinander verbindet.

Wenn solche Resultate möglich sind, warum wissen dann noch nicht alle vom Segen dieser Methode?

Methode ist hier wahrscheinlich das falsche Wort, es handelt sich eher um eine Philosophie. Und damit ist auch schon die erste Schwierigkeit verbunden. Einer Denkweise die vom Mainstream-Paradigma abweicht, fehlen die Anschlüsse zu ihrer Zeit. Das ist vergleichbar mit einer wunderschönen neuen Stereoanlage, aus der einfach ein paar Kabel heraus hängen, die sich nicht mit der bestehenden Steckdose und den Boxen verbinden lassen. Selbst ein Juwel von einem Gerät bleibt so nutzlos liegen und verstaubt.

Dieses Bild leuchtet mir ein, damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, was die Permakultur ausmacht und warum eine Landwirtschaftsmethode eine Relevanz haben sollte, für die Entwicklung eines Unternehmens.

Dazu muss ich die Permakultur zuerst kurz vorstellen. Jeder Mensch wird das in seiner Weise machen und es gibt daher ganz verschiedene Interpretationen dessen, was Permakultur „wirklich“ ist:

Stell dir vor, du möchtest einen Permakultur-Garten anlegen. Dazu hast du ein Stück Land erworben. Jetzt wirst du erst einmal ein Jahr gar nichts machen! Nichts machen heißt jedoch nicht untätig sein. Du wirst so oft wie möglich zu deinem Land gehen, vielleicht wirst du sogar – in einem Wohnwagen oder einem Zelt auf deinem Land wohnen. Du wirst jedoch nur beobachten und nicht eingreifen:

  • Was wächst auf diesem Land?
  • Gibt es verschiedene Mikro-Klimas?
  • Gibt es Stellen, die auch in trockenen Sommermonaten nicht austrocknen?
  • Gibt es andere Stellen, die auch in nassen Jahreszeiten relativ trocken bleiben?
  • Welche Elemente machen dieses Stück Land aus?
  • Was ist die Besonderheit des Bodens?
  • Usw.

Erst nachdem du mit all dem Kontakt aufgenommen hast, wirst du anfangen zu planen. Nun ist wichtig, dass du alle Elemente des Gesamtsystems so planst, dass sich diese in ihren Funktionen möglichst stark überschneiden und ergänzen. So wirst du ein Apfelbaum nicht einfach als ein Produzent von Äpfeln sehen. Dieser Baum hat noch viele andere Funktionen, die im Gesamtsystem eine Rolle spielen:

  • Er wirft Schatten
  • Er lockert den Boden
  • Er zieht gewisse Tiere an
  • Er wirft im Herbst Blätter ab
  • Er wird zu seinem Ende auch Brenn- und/oder Bauholz liefern.
  • Er verträgt sich mit gewissen Pflanzen besonders gut, mit anderen gar nicht.
  • Usw.

Du wirst also schauen, dass möglichst viele dieser Funktionen im Zusammenspiel mit anderen Elementen des Gartens einen Sinn machen: Sich gegenseitig unterstützen und durchdringen. Dadurch entsteht eine lebendige Struktur, die sich sehr gut selber reguliert und die mit wenig Aufwand einen hohen Ertrag ermöglicht.

Dieser Vorteil gegenüber dem „konventionellen – sagen wir mal – Gemüse – Anbau liegt also im kleinen Arbeitsaufwand und im hohen Ertrag. Wenn du jedoch für den großen Markt produzierst, werden die Nachteile sichtbar: Du kannst auf deinem Stück Land nicht so viel Tomaten ziehen, wie der Bauer nebenan mit seiner Monokultur. Dass es bei dir neben Tomaten auch noch Äpfel, Gänseeier, Salat, Radieschen, Karpfen, Honig und Kürbis gibt, ist aus marktwirtschaftlicher Sicht nicht sinnvoll. Der Aufwand all diese Kleinmengen in eine vernünftiges Vertriebssystem einzupassen ist einfach viel zu groß. Du wirst diese Vielfalt also eher für deinen Eigenbedarf verwenden oder am lokalen Wochenmarkt anbieten. Permakultur steht daher diametral zu der vorherrschenden, auf Großverteiler abgestimmte Wirtschaft.

Der zweite Nachteil ist der Faktor Zeit: Damit sich dein Garten zu einem blühenden Biotop entwickelt, braucht es mehrere Jahre. In der Anfangszeit ist der Ertrag eher gering. Wenn du also das Land für teures Geld und mit einem Bankkredit gekauft hast, wirst du es dir vielleicht gar nicht leisten können, es nach Permakultur Grundsätzen zu bebauen.

Soweit kann ich dir folgen. Was hat das jetzt aber alles mit einem Wirtschaftsunternehmen zu tun? Ich bin daran interessiert wie die Menschen sich in einem Unternehmen wohl fühlen können und die Firma sich trotzdem – oder gerade deshalb – zu einem rentablen Unternehmen entwickelt?

Das ist es ja genau. Ich weiß mittlerweile aus vielen Beispielen, dass sich das Prinzip der Permakultur bruchlos auf die Organisation eines Unternehmens übertragen lasst. Ein Mensch, der in seiner Gesamtheit gesehen und nicht auf eine einzige Funktion reduziert wird, der sich frei entwickeln kann und der mit seinem Umfeld in einem intensiven und reichen Austausch steht, wird sich nicht nur wohl fühlen, sondern auch viel produktiver sein. Seine Produktivität wird sich dann selbstverständlich nicht an einer einzigen Funktion messen lassen, sondern wird erst in der Summe seiner Funktionen, Ideen und Einflüssen sichtbar. Das setzt jedoch zwei Komponenten voraus, die normalerweise in einem Wirtschaftsunternehmen nicht im Vordergrund stehen: „Community“ und „Spiritualität“. Mit „Community“ meine ich ein Gefühl von Zusammengehörigkeit. Die Menschen müssen über alle Verschiedenheiten hinweg ein Interesse aneinander haben und gemeinsame Werte teilen.

Mit „Spiritualität“ meine ich ein Bewusstsein, dass ein gegenseitiges Überschneiden und Durchdringen von Funktionen, Meinungen und Werten zulässt und die Fähigkeit hat das Gemeinsame hinter der Verschiedenartigkeit wahrzunehmen und zu leben. Ein wichtiges Element in der Philosophie der Permakultur ist es, Störungen nicht zu bekämpfen sondern sie als Teil der Lösung zuzulassen. Auch diese Sichtweise gehört für mich zu einem „spirituellen“ Bewusstsein.

Das klingt tatsächlich nicht ganz einfach und vielleicht auch etwas utopisch

Du hast natürlich recht, es fehlen nach wie vor oft die weiter oben beschrieben Schnittstellen zu etablierten Strukturen. Dadurch finden einzelne Wirtschaftsprojekte, die den Grundsätzen der Permakultur folgen zwar in einem gewissen Ausmaß Anerkennung und Bewunderung aber bisher aus meiner Sicht noch zu wenige Nachahmer. Eins der besten, das ich kenne ist die Greyston-Bäckerei in New York. Dieses florierende Unternehmen wurde von der Zen Community New York gegründet. Die Geschichte dazu lässt sich im Buch „Anweisungen für den Koch„, von Zen Meister Bernard Glassman nachlesen.

Ein Unternehmer, eine Unternehmerin braucht auch sehr, sehr viel Vertrauen, um ein Unternehmen in die Richtung Permakultur zu entwickeln. Haben die Menschen erst einmal ihre Gestaltungsvermögen entdeckt, kann es gut sein, das neben dem Hauptprodukt in ihrem Unternehmen auch ein Kinderhort oder ein Gemeinschaftsgarten entsteht. Ist dieser kreative Prozess erst einmal angestoßen, entwickelt er sich in Richtungen, die nicht vorhersehbar sind.