Wie viel Gestaltungsspielraum gibt mir meine Arbeitsstelle?
Es gibt Menschen, die mit ihrem Job zufrieden sind, obwohl ihre Arbeitsstelle, im Allgemeinen als extrem unattraktiv gilt. Wie machen sie das?
Amy Wrzesniewski, eine Psychologin der Yale-Universität, hat darauf eine Antwort gefunden. In ausführlichen Tiefeninterviews mit amerikanischen Beschäftigten an ihrem Arbeitsplatz, kam sie dabei einem Phänomen auf die Spur, dass sie „job crafting“ nennt. Luke, ein Hausmeister aus der Studie, hat das Potential zu einer Ikone dieser Idee zu werden. Er arbeitet in einem Krankenhaus. Zu seinen Hauptaufgaben gehört es, zu putzen und Klopapier zu wechseln. Doch Luke interpretiert seinen Job ganz anders. Sein Augenmerk ist nicht auf die Tätigkeit gerichtet, sondern auf die Sinnhaftigkeit seiner Arbeit. Nicht das Toiletten putzen oder das Glühbirnen wechseln an sich ist ihm ein Anliegen, sondern Patienten und Angehörigen einen möglichst angenehmen Aufenthalt im Spital zu ermöglichen. Das gibt seiner Arbeit Sinn und macht ihn zu einem erstaunlich glücklichen Menschen.
Wir sollten diese Idee nicht dazu missbrauchen, schlechte Arbeitsbedingungen schönzureden oder die Verantwortung für die Motivation von Arbeitnehmern ausschließlich ihnen selbst aufzubürden. Trotzdem verweist das Konzept des «job crafting» auf ein Phänomen, das oft zu wenig Berücksichtigung findet. Wir haben in unserer Arbeit einen Gestaltungsspielraum! Dieser erschöpft sich nicht nur darin, welchen Job wir annehmen oder ablehnen (für einige Menschen ist ja schon die Idee einen angebotenen Job abzulehnen undenkbar), sondern auch darin wie wir unseren Job interpretieren.
Die von Luke genutzte Sinndimension ist dafür eine Möglichkeit. Wir könnten auch sagen, Luke interpretiert seine Arbeit mit der Qualität eines Gastgebers. Gastgeber zu sein, der seinen Gästen einen möglichst angenehmen Aufenthalt ermöglicht, ist eine Unterrolle des Dienstleisters. Jetzt wird nicht jeder Arbeitnehmer in dieser Rolle aufgehen. Menschen sind so individuell wie die Qualitäten, die sie glücklich machen. Für eine Busfahrerin kann es die Präzision sein, mit der sie die Fahrt durch enge Altstadtstraßen meistert, für einen Gemüsehändler die Kreativität, mit der er die Auslage präsentiert oder für eine Lehrerin den Humor, mit dem sie ihren Stoff vermittelt.
Wir alle verfügen über ein Set an Qualitäten, die uns motivieren. Wenn diese in unserer Arbeitsstelle eine Rolle spielen, fühlen wir uns in unserem Element. Interessanterweise ist uns diese Kraftquelle oft nicht voll bewusst. Die meisten Menschen ahnen zwar, was sie motiviert, können es aber nicht genau benennen. Je diffuser das Wissen um diese Qualitäten ist, desto größer ist das Risiko, sie im Job nicht zu nutzen. Statt die Arbeit in ihrer individuellen Weise zu interpretieren und zu gestalten, übernehmen sie ein stereotypes Bild ihrer Arbeitsrolle. Der einzige Weg aus der Demotivation scheint dann ein Wechsel der Arbeitsstelle zu sein.
Natürlich eignet sich nicht jeder Arbeitsplatz für alle Qualitäten gleich gut. Eine Ärztin, bei der Abenteuerlust ein Element der Motivation ist, wird bei den Ärzten ohne Grenzen mehr davon finden, als in einer Allgemeinpraxis in St. Pölten. Ein Kellner, der das Rustikale, Einfache liebt und verkörpert, wird wohl in einem Berggasthof glücklicher als in einem 5 Sterne Betrieb in Berlin.
Links:
- Die Wesenskernanalyse, die vor allem auf der Übung Projekt-Qualtität-Wesenskern besteht, ist eine Methode mit der rasch und präzise die Qualitäten bestimmt werden können, die sich wie ein roter Faden durch die Biografie eines Menschen ziehen.
- Amy Wrzesniewski spricht über job crafting (in english)
TIPP: Der WORKNAVIGATOR unterstützt gezielt beim persönlichen JobCrafting.
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